Prof. Dr. Werner Schnatterbeck
zu TOP 2 Integrationsbericht
Heute liegt uns der erste Integrationsbericht vor. Bei einem Anteil von ca. 35 Prozent der Bruchsaler Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist es sicher angezeigt, einen Zwischenschritt einzulegen, um den Iststand der Zahlen unter verschiedenen Gesichtspunkten zu erheben bzw. sie uns zu vergegenwärtigen, auf Trends zu schließen, bisherige Aktivitäten zu reflektieren und Handlungsnotwendigkeiten zu erkennen. Zwischenschritt, weil nur das Eine bei diesem Thema sicher ist und Bestand haben wird, nämlich, dass es für uns nie zu einem Ende kommen wird. Es handelt sich um einen Prozess, den wir als Gesamtgesellschaft bewusst beeinflussen sollten. Deutschland ist ein Zuwanderungsland, nicht erst heute, wie ein Blick in die Geschichte zeigt – Zuwanderung aus Glaubensgründen, Migration als Folge von Kriegen, Gastarbeiter, Spätaussiedler – bei dieser Aufzählung folge ich Patrik Hauns und verweise auf sein Buch „In Bruchsal daheim“ von 2015. Und gleichzeitig ist Deutschland ein Auswanderungsland – historisch zum Beispiel aus wirtschaftlichen Gründen im 18. Und 19. Jahrhundert – aber auch aktuell wie die Zu- und Abwanderungsübersicht im vorliegenden Integrationsbericht zeigt. Unsere eigentliche Herausforderung ist deshalb – nicht nur in diesem Zusammenhang – zu lernen, mit dem Wandel und der daraus folgenden Heterogenität umzugehen. Aber was nützt die Analyse der Entwicklungen und Bedingungen, wenn wir keine Zielformulierung haben? Häufig hilft dann die Sprachwissenschaft weiter, die uns dabei unterstützt, die Herkunft des Begriffs und seine ursprüngliche Bedeutung zu erfassen. Mit dem lateinischen Wort „Integratio“ – „Wiederherstellung eines Ganzen“ – bleiben wir allerdings alleingelassen, denn das Ganze bezieht sich doch hier auf Homogenität, wo wir doch gerade festgestellt haben, dass die Heterogenität ein wesentliches Merkmal unserer Gesellschaft ist. Kurzum: Eine allgemein gültige Definition des Begriffes Integration gibt es nicht. Da ist ein Verweis auf den Bildungsbereich naheliegend, wo lange Zeit der Begriff Integration unbestrittene Gültigkeit hatte, dann aber in den letzten 15 Jahren im Umgang mit gehandicapten Kindern die Begrifflichkeit Inklusion zu einer wichtigen Differenzierung beitrug. Auch soziologisch ist es schwierig, was in dem auf mich folgenden Redebeitrag sicher deutlich werden wird. Dagegen halte ich eine Formulierung der Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration für hilfreich:
„Integration ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, dessen Gelingen von der Mitwirkung aller Bürgerinnen und Bürger abhängt. Erfolgreiche Integration setzt sowohl das Angebot an die Bevölkerung mit Migrationshintergrund zur Beteiligung als auch den Willen und das Engagement der Menschen mit Migrationshintergrund zur Integration voraus.“
Das liegt doch recht nah bei dem, was die Oberbürgermeisterin am Anfang des Integrationsberichtes formuliert hat. Die oft bemühte Bringschuld besteht auf beiden Seiten – vereinfacht gesagt, aus der Gewährung von Rechten und aus der Beachtung von Pflichten. Bei Letzterem ist unzweifelhaft der Anspruch des Grundgesetzes mit der daran gebundenen Gesetzgebung sowie eine damit hinterlegte Alltagsethik gemeint. Im Konkreten geht es um ein gemeinsames Bemühen zugunsten eines friedlichen Zusammenlebens, für gerechte Chancen und soziale Ausgeglichenheit. Alle sind wir dabei Akteure – Einheimische und Zugewanderte, Hauptamtliche und Ehrenamtliche.
Sehr geehrte Frau Kübach, der Bericht ist informativ, die Querverweise sind aufschlussreich, der rote Faden folgt der Sachlogik. Die Handlungsempfehlungen sind diskussionswürdig und erwägenswert. Die Zahlen könnten noch durch biographische Akzente untermauert werden. Doch auch in diesem Zusammenhang verweise ich auf das Buch von Patrik Hauns.
Dass wir zwei Mal im Ausschuss beraten haben, zeigt den Umfang der Aufgabe. So sind die Handlungsschritte ein Mehrjahresprogramm. Wir müssen uns für die grundsätzliche Diskussion sowie die Erörterung der Maßnahmen Zeit geben, ggf. bei einer Klausurtagung. Aus meiner Sicht ist der Bericht hilfreich für die weiteren Schritte. An den Schluss meiner Ausführungen stelle ich meine Überzeugung, dass so, wie Sie es mit der Bildungskette andeuten, das A und O die Sprache ist. Über sie erschließt sich alles: von dem kognitiven Erkenntnisgewinn in Sachfragen bis zum Wertanspruch des Grundgesetzes. Auf das Problem der doppelten Sprachunfähigkeit habe ich bereits im Ausschuss hingewiesen. Wer sich die Mühe macht, den Orientierungsrahmen für Vorschulklassen zu studieren, ermisst die Größe allein dieser Aufgabe.
Die CDU-Fraktion nimmt den ersten Integrationsbericht zur Kenntnis. Außerdem bitten wir die Verwaltung, unter Beachtung der heute hier im Gremium gemachten Aussagen Handlungsansätze und Maßnahmen zu entwickeln, die zu gegebener Zeit dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt werden. Nochmals gilt unser Dank Frau Kübach und den weiteren am Zustandekommen des Berichtes Beteiligten.