Landwirtschaft an der Kollaps-Grenze
Landwirte in Entscheidungsprozesse einbinden
In den Fluren am nördlichen Stadtrand unterwegs waren Interessierte mit Dr. Ulrich Dahm vom Rohrbacher Hof auf Einladung des Ortsvorsitzenden Thomas Barth. Mit dabei auch Stadträte und Landtagsabgeordneter Uli Hockenberger. Ulrich Dahm, Landwirt und erfahren im Qualitätsmanagement der Lebensmittelbranche verwies auf den enormen Druck, unter dem die Landwirtschaft stehe: Klimawandel setze ihr zu, dazu komme der massive Druck auf die Lebensmittelpreise durch die Supermärkte und die dort einkaufenden Konsumenten. Er bedauere, dass viele Zusammenhänge die Landwirte betreffend, in den Medien verkürzt dargestellt werden und meist die Landwirte als die „Schuldigen“ an der ökologischen Problematik erscheinen. Diese allerdings seien an der „Kollaps-Grenze“.
Er verlange, die Landwirte mit an den Tisch zu holen, wenn Entscheidungen getroffen werden, die auch sie betreffen. Das gelte insbesondere auch für den kommunalen Bereich. Und für ihn ist es auch wichtig, den Kindern der Landwirte Wege zu zeigen, damit sie im Beruf ihrer Eltern weiter existieren können. Sonst sei diese Landwirtschaft bald am Ende und produziere auch keine Lebensmittel mehr in Deutschland. Die Alternativen können dann bestenfalls riesige Landwirtschaftsbetriebe sein, wie z. B. in Ostdeutschland. Die Pflege unserer Kulturlandschaft sei dann auch am Ende. Es gebe keine einfachen Lösungen und es sei wichtig, über die Zusammenhänge zu informieren
Und gerade diese von den Landwirten geprägte stark gegliederte Kulturlandschaft am Rotenberg, Odental oder Glöcklesberg sei ein Paradies. Dahm führte durch das Streuobstgebiet, wies auf die mit viel Aufwand gepflegten Bestände hin und klagte über den starken Obst- und Nußdiebstahl. Die Streuobstpflege habe einen hohen Wert in dieser Landschaft und für Landschaftsschutzgebiete. Als Schutzgebiet werden den Besitzern Auflagen erteilt, wozu die Stadt aber wenig Hilfe liefere.
Die Stadt sollte insbesondere ihren Beitrag leisten durch Kontrolle, und z.B. Hüttenbau und Partys nicht tolerieren. Aus Teilnehmerkreisen wurde auch Kritik an der Stadtverwaltung geäußert wegen der mangelnden Pflege im städtischen Streuobstbestand. Dahm bemängelte auch die vielen frei laufenden Hunde: 20 Rehrisse zähle man im Jahr. Und rund 80 bis 90 Prozent aller Fahrzeuge befahren unzulässigerweise die landwirtschaftlichen Wege. „Zu Vieles wird geduldet“. Der Einsatz eines Feldschützes sei überfällig.
Auf die EU-Subventionen angesprochen verwies Dahm auf die wirtschaftliche Situation: „Wenn ich meinen Hof wirtschaftlich optimal führe, habe ich Null Einkommen . erst die Subventionen verschaffen mir dieses.“ Einhellige Meinung war: Für eine zukunftsfähige Landwirtschaft müsse der wahre Preis der erzeugten Lebensmittel bezahlt werden. Sonst verschwinden unsere paradiesischen Kulturlandschaften des Kraichgaus.
Zum Abschluss gab es für alle ein Rohrbacher-Hof Bier „Eisenhut Gold“ von Dr. Dahm.
Begrüßung der Teilnehmer auf dem Weingut Klumpp durch Thomas Barth
Unterwegs im Streuobstgebiet Rotenberg
Dr. Ulrich Dahm:
Seit 1935 ist seine Familie auf dem Rohrbacher Hof, zunächst als Pächter, später wurde er von der Familie gekauft, U. Dahm hat ihn 2008 schuldenfrei übernommen. Er hat an der Uni Hohenheim studiert und wurde dort promoviert, erwarb sich einen Zuverdienst im Qualitätsmanagement als Auditor 2005 bis 2017, war weltweit im landwirtschaftlichen Qualitätsmanagement der Lebensmittelbranche tätig, sammelte große Erfahrungen mit Lebensmittelkonzernen und mit Zuchtbetrieben, mit der Logistik in aller Welt und kennt die Warenströme. Seit 2017 ist er Geschäftsführer im Raiffeisenkonzern, leitet eine Marktzentrale in Worms mit 35 Einzelmärkten im Hauptberuf. Der Rohrbacher Hof wird familiär geführt, dort hat seine Frau (Haushaltsmeisterin) auch ein Schulungszentrum aufgebaut und sich in Kräuterheilpädagogik weiter qualifiziert. Als Hobby ist noch das Bierbrauen mit eigener Gerste hinzugekommen.